Elektromobilität – Energiebranche internalisiert Dienstleistungsplattformen
Dr. Thomas Gabelmann, Partner
Mehrere M&A-Transaktionen der letzten Monate zeigen einen interessanten Trend auf: die Energiewirtschaft positioniert sich als Dienstleister und Lösungsanbieter rund um die vernetzte Ladeinfrastruktur. So erfolgte zwischen März 2017 und März 2018 mit den Übernahmen der beiden niederländischen Ladeinfrastruktur-Spezialisten EV-Box und NewMotion durch ENGIE bzw. Shell, mit dem Erwerb von EMotorWerks durch Enel sowie Fortums 100%igen Anteilserwerb an PlugSurfing eine Reihe visibler Transaktionen innerhalb eines Jahres. Auch der in Deutschland führende Ladeinfrastruktur-Dienstleister für Stadtwerke, smartlab, hat zuletzt seine Gesellschafterbasis um Erdgas Schwaben, Thüga und die Stadtwerke Düsseldorf erweitert.
Absehbar ist, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, da sich immer mehr Energieversorger rund um die Zugänglichkeit und Interoperabilität von eigener und fremder Ladeinfrastruktur strategisch aufzustellen beabsichtigen.
Der Energieversorger kann so zum zentralen Ansprechpartner für mehrere Marktrollen in der Elektromobilität werden. Dem Ladesäulenbetreiber („Charge Point Operator", CPO) ermöglicht er die Vermarktung der Ladekapazitäten durch Services im Bereich der Auffindbarkeit, der Zugänglichkeit, dem Bezahlvorgang und der Abrechnung. Dem Elektromobilitätsanbieter („E-Mobility Provider", EMP) stellt er für dessen Kunden letztlich den Use Case rund um das Aufladen eines Elektrofahrzeugs (EV) mit möglichst überregionaler Marktabdeckung zur Verfügung. Der eigenen Positionierung als CPO und EMP steht dies nicht entgegen.
Diese Strategie scheint in der dynamischen Marktentwicklung ihre Rechtfertigung zu finden. So stiegen auf Jahresbasis die Zahl der EV ebenso wie die Zahl der öffentlichen Ladepunkte in Deutschland zuletzt spürbar an (+ 29% bzw. +47%, BDEW-Ladesäulen-Erhebung 2017). Auch die Prognosen gehen von erheblichem Wachstum aus. So schätzt das Center of Automotive Management, Bergisch Gladbach, in einem mittleren Hochlaufszenario die Zahl der EV-Neuzulassungen in 2025 auf 2,4 Mio. Fahrzeuge in der EU (Deutschland: 500.000) bzw. auf 4,3 Mio. Fahrzeuge in 2030 (Deutschland: 900.000). Diese Schätzungen berücksichtigen die Wechselwirkungen der Erfolgsfaktoren wie den weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur, das Fahrzeugangebot und den wahrgenommenen Kundennutzen.
Von großer Bedeutung ist die Integration der Ladepunkte durch vernetzende Dienstleistungen und die damit dem Fahrzeugnutzer zugänglich gemachte Infrastruktur. Damit ein Netzwerk möglichst jedem Endkunden offensteht, ist die Rolle des übergeordneten Roaming-Anbieters mittlerweile zentral. Während es erwartbar ist, dass sich am Markt eine Vielzahl von EMP bilden wird, so ist u.E. wahrscheinlich, dass es im Bereich der Roaming-Konzepte eher zu einer Konsolidierung kommen wird.
Der Energiewirtschaft stehen potenziell sehr diverse EMP gegenüber. Insbes. können EMP in den Bereichen Automobilwirtschaft, Flottenbetrieb, Car Sharing oder z.B. der Immobilienwirtschaft entstehen - und tun das bereits zahlreich. Insofern kommen unterschiedliche Anforderungen seitens der EMP, bspw. in der Betriebsführung von Ladeinfrastruktur zustande, die es in der Gestaltung eines Dienstleistungsangebots zu berücksichtigen gilt. Gezielte Joint Venture, wie es sie zwischen Energie- und Immobilienwirtschaft etwa im Bereich der dezentralen Energieerzeugung gibt, bieten sich an, um hier frühzeitig Kooperationspotenziale zu testen und relevantes Know-how aufzubauen.
Wir gehen daher davon aus, dass das Marktumfeld für das Angebot von Elektromobilitäts-Dienstleistungen und Infrastrukturbetrieb weiter erheblich durch Kooperationen, Joint Ventures und Unternehmenszukäufe geprägt sein wird.
Erschienen: con | energy Newsletter vom 17. April 2018