Pressemitteilungen | 28. Juni 2024 Köln
„Ohne langfristige Planung wird es schwer“ – Interview mit Martin Lawin und Felix Dehmel
Köln (energate) – Die Transformation des Energiesystems erfordert enorme Investitionen. Geldgeber stehen in einem veränderten Kapitalmarkt aber noch immer bereit, in den Energiesektor zu investieren. Vorausgesetzt, die Unternehmen und ihre Eigentümer gehen mit guter Vorbereitung und langfristiger Planung in den Prozess, erläutern Martin Lawin und Felix Dehmel von der Corporate-Finance-Beratung HKCF im Interview mit energate.
energate: Die Energiewende erfordert Investitionen in Milliardenhöhe, sogar von Billionen ist die Rede. Gibt ein Kapitalmarkt, der aktuell von einer Zinswende geprägt ist, solche Summen überhaupt her?
Lawin: Die positive Nachricht ist: Es gibt genügend Fremdkapital im Markt. Die Banken sind an langfristigen Investitionskrediten interessiert und bereit, diese zu vergeben. Wir beobachten aber auch, dass Banken zunehmend die Beteiligung der Gesellschafter verlangen, sei es durch eine direkte Erhöhung des Eigenkapitals oder durch Thesaurierung, also den Verzicht auf Gewinnbeteiligung.
energate: Ausbau der Erneuerbaren und der Netze, Wärmewende, Digitalisierung. Der Investitionsbedarf ist enorm. Was bedeutet das für die Unternehmen?
Lawin: Es steht außer Frage, dass sich die Bilanzen der Unternehmen grundlegend wandeln werden. Langfristig beobachten wir teilweise eine Verdreifachung der Bilanzsumme. Das geht einher mit hohen Kapitalbedarfen. Die Kreditinstitute verlangen für eine Finanzierung mittlerweile im Rahmen der Kreditprüfung sehr aussagekräftige Daten und nach der Kreditauszahlung ein engeres Reporting, um die Unternehmen und deren Entwicklungen monitoren zu können. Hier ergibt sich gegenüber der Vergangenheit eine gestiegene Kreditgeberanforderung.
Dehmel: Man darf nicht vergessen, dass die Energiewende schon lange begonnen hat und nicht erst jetzt ansetzt. Viele Unternehmen haben bereits in der Vergangenheit stark investiert. Nun stehen sie vor einer Phase, in der der Investitionsbedarf nochmals ansteigt. Manche Unternehmen haben dafür aber gar kein großes Polster mehr. Deshalb müssen die Unternehmen sowohl die Fremdkapitalseite in den Blick nehmen, aber eben auch die Eigenkapitalseite.
energate: Stehen alle Unternehmen vor den gleichen Herausforderungen oder gibt es Unterschiede?
Lawin: Stadtwerk ist nicht gleich Stadtwerk. Ein Unternehmen, das einen großen Anteil am Stromnetz hat, ist für den Kapitalmarkt attraktiver. Ein Stadtwerk, das nebenbei auch ÖPNV und Bäder betreibt – und womöglich bereits stark verschuldet ist – hat es viel schwieriger.
Dehmel: Gasnetze, die Jahrzehntelang für Eigentümer und Investoren ein sicherer Posten waren, sind das heute nicht mehr ohne Weiteres. Sie können für Unternehmen aufgrund der großen Unsicherheit sogar zu einer Belastung werden, wenn keine für Kapitalgeber nachvollziehbare nachhaltige Verwendungsmöglichkeit dargelegt werden kann. Hier verändert sich der Markt gerade deutlich.
Christian Seelos
Quelle: energate messenger+